Nachfolgend ein Beitrag meiner Frau Lovis:
Nun, mal wieder viel zu viele Gedanken in meinem Kopf, die ich gar nicht in der Lage bin, alle aufzuschreiben, viel zu schnell geht es hin und her.
Ich versuche es etwas zu ordnen, deshalb hilft es mir, es aufzuschreiben.
Es geht gar nicht darum, dass dies jemand anders liest, es muss nur irgendwie raus in die Welt.
Vielleicht ist es auch ein bisschen Mimimi…
Ich erzähle ja öffentlich, dass ich zur Therapie gehe… Auch ein bisschen was Neues für mich, aber letztlich ja glücklicherweise nichts ungewöhnliches mehr und längst nicht so ein Tabuthema, wie es mal war.
Die Therapeutin ist im Bereich der Tiefenpsychologie tätig und ich komme relativ gut inzwischen mit ihr aus.
Vor gar nicht allzu langer Zeit hat sich mich gefragt, wie ich mich beschreiben würde, wenn ich ne Kontaktanzeige aufgeben würde.
Es fiel mir sooooo schwer, mich dazu äußern, aber sie war minutenlang geduldig.
Ich hab mich für „chaotisch-kreative Idealistin“ entschieden, so richtig mehr ist mir nicht eingefallen.
Ob mein Mann mich auch so schwer beschreiben könne, hat sie mich gefragt. „Nein, dem fallen bestimmt 20 Dinge sofort ein“.
So ist es auch, ihm würden zig Beschreibungen einfallen, die sich aber für mich alle nicht richtig anfühlen, das habe ich auch so gesagt. Sie machen mir etwas Unbehagen, ich rutsche dann auf dem Stuhl hin und her und … nun ja.
„Und ihr Mann kennt sie doch jetzt seit x Jahren am besten, nicht? Und sagen Sie nicht, dass Sie zwei auch Freunde sind und komplett offen miteinander umgehen, alles besprechen können und ehrlich miteinander sind?“ Na klar, dass konnte ich bejahen, das ist so.
Während ich mit meinem Exmann im Nachhinein betrachtet zu viel Zeit verbracht habe, bin ich jedes Mal froh, wenn seine Lordschaft durch die Tür kommt. Hat er etwas früher Feierabend, freue ich mich, dass wir uns sehen. „Aha! Und meinen Sie dann, er könnte nicht recht haben mit dem, was er über sie sagt?“
Alter, der war fies…
„Oder spielen Sie ihm was vor?“
Nein, natürlich nicht. Vor niemandem habe ich mich je so offengelegt, wie vor ihm und das ganz bewusst von Anfang an. Auch meine absurden, traurigen, schamvollen Gedanken teile ich mit ihm, die, die meine eigene Schuld betreffen, meine Fehler, aber auch meine Wünsche und Hoffnungen. Zu niemandem habe ich solch ein Vertrauen, wie zu ihm. Er ist mein Partner, mein Gefährte, mein bester Freund und jemand, der so tief an mich und meine Seele, meine Ideale und mein Sein glaubt, wie ich es selbst gar nicht kann.
„Was ist denn wahrscheinlicher? Dass Sie sich mit ihrer Selbsteinschätzung irren, oder er?“
Pfffffffffffft, Touché, Frau Therapeutin.
Ich fand das ein bisschen gemein und hab ihr das auch gesagt, aber mit ‘nem Zwinkern.
Sie hat da schon recht, mein Bild über mich ist recht undifferenziert und möglicherweise aus Gründen auch geprägt von Überlebensstrategien und Glaubenssätzen.
Ich habe ein Tattoo, sagen wir mal, „gewonnen“.
Ich darf mir das Motiv aussuchen, gleich was es ist, unabhängig von der Größe, Stelle und überhaupt… Ich habe freie Hand, muss nicht auf die Kosten achten.
An meiner Fessel habe ich drei Worte stehen: Achtung, Liebe, Respekt, meine Grundfesten also, mit denen ich anderen gegenübertreten möchte, im wahrsten Sinne des Wortes.
Es hat mich Überzeugungskraft gekostet, die Tätowiererin davon zu überzeugen, es nicht so zu stechen, dass es für andere Leute symmetrisch aussieht, sondern aus meiner Sicht. Sie war nicht der Meinung, dass mich das auf Dauer glücklich macht.
Letztlich bekam ich es so, wie ich es mir gewünscht hatte und bin so zufrieden damit.
In dem neuen Rahmen habe ich über weitere Worte nachgedacht, zwei standen sofort fest: Würde und Menschlichkeit. Auch sie prägen mein Handeln (hoffentlich) und ich möchte sie verewigt haben.
Ich hab darüber nachgedacht, was wohl zu dem vorhandenen passen würde…
Das andere Tattoo ist braun, nicht schwarz, das war mir zu auffällig, außerdem mag ich die Farbe nicht, sie hat so einen Blaustich.
Dezent soll es sein, unauffällig, da ich das ja nicht für andere tragen möchte, sondern für mich.
Aber es gibt noch so viele andere Dinge, die ich „eigentlich“ gerne hätte.
Und genau an diesem „eigentlich“ hänge ich noch…
Denn: Eigentlich möchte ein Teil von mir sich eben nicht mehr anpassen. Eigentlich mag ein Teil wieder Punk sein und wieder nen Iro haben.
Eigentlich mag ich Farbe. Eigentlich mag ich meinen Körper so tätowieren lassen, wie ich mag.
Eigentlich gibt es viele Menschen, die mit ihren Tattoos unsagbar schön aussehen.
Eigentlich mag ich mich meinen mir selbst aufgestellten moralischen Regeln und Beschränkungen nicht unterwerfen und wieder ein bisschen Fuwuwu werden.
Fuwuwu kann ich euch nicht näher erklären, es ist etwas besonderes zwischen seiner Lordschaft und mir, hat für uns mal eine dolle Bedeutung gehabt, uns aus unseren „alten Leben“ zu befreien und steht für etwas sehr persönliches… Es ist eine Art Mantra und gleichzeitig auch irgendwie für das, was wir noch erreichen möchten, sein wollen, für das, was unser persönliches großes Ziel für dieses Leben ist.
Manchmal sage ich „Och, das mache ich im nächsten Leben“, wenn etwas aufgrund der Umstände nicht möglich ist und es mir selbst aber wünsche…
„Im nächsten Leben werde ich einen Tanzkurs machen/ studieren/ die Stolperseine aus dem Weg räumen, die mich selbst in mir hindern, mich und mein Leben zumindest OK zu finden/ reisen, in die Politik gehen/ oder was auch immer“.
Und langsam wird mir bewusst, dass ich kein nächstes Leben haben werde.
Unabhängig nun mal von Religion, Glauben, Wiedergeburt und so, meine ich.
Denn selbst, wenn das so stimmen würde, wäre ja mein Bewusstsein dieses Lebens nicht existent…
Komische Gedanken, oder?
Darüber habe ich bereits in der Grundschule philosophiert… Wird bereits bei der Zeugung das einzigartige Bewusstsein vergeben? Also wenn ein anderes Spermium gewonnen hätte, würde mein Bewusstsein das dann merken, oder geht das gar nicht, weil es dann ja nicht besteht?! Meine Mutter hat mich mit großen Augen angeguckt…
Nun ja, also tobt in mir auch grad etwas der Kampf, was für ein Tattoo ich möchte.
Und das ist ein großer Kampf, denn es ist stellvertretend für diese Seiten in meinem Leben: Die, die ich bin und die, die ich sein mag.
Kann das grad nicht richtig ausdrücken, aber es hängt auch damit zusammen, wie ich mit mir zufrieden werden kann, was an Erziehung und Glaubenssätzen ich loslassen kann und mich mit mir und meiner Welt arrangieren kann.
Und da ich grad bei dem Thema bin: Autsch.
Gestern haben sich seine Lordschaft und ich ein paar Augenblicke gestohlen und sind in die Stadt gefahren.
Wir wollten ein bestimmtes Buch kaufen, haben es gefunden und mitgenommen, alles tutti.
Aber diese 50 Minuten Stadt haben mir wirklich einiges abverlangt, denn gesundheitlich wird’s grad ehrlich gesagt nicht besser, sondern eher schlimmer.
Auch das ist so ein Thema, was meinen Kopf hart f++++.
Ich habe aus Gründen gelernt, dass ich immer und immer und immer weitermachen muss, auf meinen Körper nicht zu hören habe und immer und immer stärker zu sein habe, als andere Menschen. Über Schwäche und Unzulänglichkeiten wird nicht gesprochen, nützt ja nichts, also Arschbacken zusammen kneifen und trotzdem machen.
Mein Körper ist grad wie ein billig-Akku: Ein, zwei kleine Dinge machen, dann braucht er schon wieder eine Ladestation.
Ich habe täglich Schmerzen, seit meiner Jugend schon. Es gibt keinen Tag, an dem ich schmerzfrei bin und habe aber ja für mich gelernt, dass dies normal ist, zumindest für mich.
Es ist nichts Besonderes, dass ich in bestimmten Positionen nicht sitzen kann, Kopf- und Gliederschmerzen habe, mir Kopfhaut, Arme, Beine, Oberschenkel und sogar Teile des Gesichts einschlafen, dass mir phasenweise die Haare ausfallen, ich auch nach drei Durchgängen in der Sauna noch eiskalte Füße und Finger habe und nicht schwitze. Mir ist eigentlich immer kalt. Also auch im Sommer bei 40 Grad. Da sitze ich gerne auf der Terrasse oder grade den Garten um oder betätige mich körperlich, das ist für mich das angenehmste Wetter, denn dann ist die Kälte nicht so schlimm.
Ich kann mir im Moment die Haare nicht kämmen, zu schnell schmerzen die Oberarme und ich habe keine Kraft mehr, bin aus der Puste alleine davon und brauche eine Pause.
Im Moment gibt es Tage, da ist rein körperlich das Lenkradhalten zu anstrengend…
Die Oberschenkel machen auch nicht mit. Gerade Strecken gehen noch, Treppensteigen oder Anstiege entleeren diesen blöden Akku zu schnell und ich brauchen eine Pause.
In der Stadt gestern war es zu anstrengend, die Hand seiner Lordschaft zu nehmen, wir mussten nach einigen Minuten die Seiten wechseln.
Inzwischen gehe ich solche Strecken kaum noch, es ist eher wie ein Wanken geworden.
Von dem schnellen, dynamischen Schritttempo ist nichts mehr da, eher ein „verdammt, wo kann ich keinen Kopf anlehnen und mich hinsetzen“… Beim Duschen zu stehen, bringt mich auch außer Atem.
Neulich im Krankenhaus bei Belastungs-EKG hab ich stolze 122 Sekunden Fahrradfahren können, ehe ich kurz vor einem heftigen Zusammenbruch war.
Ein Arzt stellte eine Mitochondriopathie fest, ein anderer zweifelt dies an.
Und nun weiß ich nicht weiter und überlege, wie lange ich noch ohne Hilfsmittel mich außerhalb des Hauses bewegen kann und hoffe hoffe hoffe, dass ich bald endlich alle Unterlagen bekommen kann, für den neuen Arzt. Der, der zuhört und mich ernst nimmt, der das alles nicht abtut mit „Psyche“… Zu dem hat mich die Therapeutin geschickt, denn auch sie glaubt nicht, dass dies psychisch ist.
Weder das wiederkehrende Fieber, noch die immer auffälligen Urinproben…
Tja, das ist grad etwas fordernd.
Und ich habe mich getraut, mit seiner Lordschaft darüber zu sprechen… Hab mich auch da nackig gemacht, was meine Kraft angeht. Und er war mal wieder toll!
Vielleicht erzählt er euch davon.
Aber erschrocken war er auch ein bisschen… glaube ich.
Und dann sind da noch die Schützlinge und das, was das alles so beinhaltet.
Das geht ehrlich gesagt einigermaßen gut, im Moment arbeite ich ja nicht und kann in mehreren Abschnitten Staubsaugen und mich zwischendurch hinsetzen, mich schlafen legen und mein eigenes Tempo machen.
Aber klar: Das alles kann ich auch nur, weil ich noch krankgeschrieben bin. Und, das ist mir wichtig zu betonten: Weil es Menschen gibt, die dies auch finanziell unterstützen.
Eigentlich hatten wir uns auf ein „besseres“ Jahr gefreut, mit mehr Hoffnungsträgern und wenigen Nordsternchen… Es kam wieder anders. Wie bitter! Also wirklich!
Um jedes einzelne Lebewesen trauern wir und ich bitte um Entschuldigung, dass ich es nicht geschafft hab, dieses Tier groß zu ziehen… Es ist jedes Mal ein persönliches Versagen…
Bereits bevor wir uns diesen Namen gegeben haben, waren wir im Tierschutz aktiv, irgendwie sind wir einfach dazu gekommen und da so reingestolpert.
Ich war im Vorstand eines Vereins, der sich um Hunde aus Spanien bemüht.
An vier verschiedenen Stadtorten in Spanien hatte der Verein Partner… Also in Spanien vor Ort tätige Menschen und private Organisationen, die die Tiere versuchen aus den Tötungsstationen zu holen, sie einfangen oder annehmen.
Dort gibt es keine Tierheime, wie wir sie hier kennen und der Umgang mit den Tieren, ihr Wert für die Gesellschaft ist einfach anders… Vielleicht eher so, wie bei uns zu Küken, die geschreddert werden.
Dort wird ein Hund (oder eine Katze) in der Perrera abgegeben. Sie haben bis zu 28 Tage Zeit, vermittelt oder freigekauft zu werden, danach werden sie getötet.
In einigen Städten hat sich dies schon geändert, dort gibt es Zufluchtsheime, Shelter.
Es ist auch etwas komplexer, als es hier klingen mag, davon kann ich bei Interesse mal erzählen.
Unser Hund 1 stammt direkt aus einer Tötung. Ein TSV kaufte 20 Tiere dort frei, 21 stiegen in dem Shelter aus dem Transporter. Er war Nummer 21.
Hund 2 war in Adra in einem Shelter und von dem Verein, wo ich später tätig war.
Dieses Sheltern waren 30 qm2 betonierter Hinterhof mit zwei Zwingern, unter freiem Himmel. Dort lebten etwa 15 Hunde. Freiwillige kamen und gaben Futter, sehr viel mehr war nicht möglich.
Der TSV hatte immer wieder Stress mit den „Adra-Mädels“, denn es gab immer mehr Notfälle, schwierige Fälle, immer schwieriger waren die Bedingungen.
Der TSV meinte, sie dürfen keine Tiere mehr aufnehmen.
Die Mädels taten es trotzdem, Stück für Stück. Wenn das Shelter voll war, fütterten sie auf der Straße, versorgten dort, behandelten und hofften auf einen freien Platz im Shelter.
Aber: Voll ist voll, sie wussten das.
Irgendwann hofften sie auf einen Platz für eine schwangere Hündin, sprachen mit dem TSV, baten diese Menschen in Deutschland sie dabei zu unterstützen, dass sie sie doch aufnehmen.
Der TSV blieb dabei: Nein war Nein.
Kurz und knapp: Es gab grausame Menschen dort.
Mutter und die ungeborenen Kinder wurden gemeuchelt.
Ich hab Bilder gesehen, die die Mädels geschickt haben, wie gingen schon sehr sehr tief.
Ein Jahr später etwa war ich mit dem TSV Vorort, habe alle Shelter besucht, die Tiere kennengelernt, mit den Menschen Kontakt aufgenommen, verstanden, geschaut, unterstützt.
Es ist sehr leicht zu sagen: Voll ist voll.
Es ist etwas anderes, das Leid und die Tiere zu spüren und zu erleben.
Von außen urteilt es sich so leicht…
Es gibt im Tierschutz nach meinem Empfinden kein schwarz-weiß.
Ich kenne viele Engagierte, die sagen: Ich kann nicht mehr aufnehmen, es im Notfall aber doch tun.
Natürlich doch tun.
Bei uns ist das ähnlich.
Ich weiß sehr genau, dass wir weniger Schützlinge haben müssen, die Umstände passen nicht gut für so viele.
Seine Lordschaft weiß das, das Internet weiß das, alle wissen es.
Trotzdem tun wir es.
Hätten wir eine imaginäre Zahl, wär Ruth nicht hier.
Wo wäre sie dann?
Höchstwahrscheinlich, nein, in diesem Fall sicher nicht mehr am Leben.
Merkt ihr was? Es ist nicht schwarz-weiß…
Und einfach schon gar nicht! Wirklich nicht! Kein Stück.
Grad, weil wir wissen, dass dies seeeeeeeeehr viel ist und wir selbst schon Grenzen überschreiten…
Doch …
Nunja…
Entweder, müssen wir einen Rahmen stecken, mit allen Konsequenzen und Unnachgiebigkeit zu uns und Anfragen, oder wir versuchen den Rahmen zu verändern….
Puh…
Erfahrungsgemäß sind Januar, Februar und noch bis in den März Monate, in denen die wenigsten Menschen die finanzielle Möglichkeit haben, zu unterstützen.
Geht uns ja nicht anders.
Aktuell ist dazu nicht genug Puffer da, einmal grade raus gesagt.
Habt ihr Ideen dazu?
Es gibt so unfassbar tolle Menschen, die uns wiederkehrend unterstützen (können) und das ist ganz ganz groß!
Es ist mir immer noch unangenehm um weitere Unterstützung zu bitten und ich wünsche mir, dass wir irgendwann an einen Punkt kommen, wo wir wieder alles alleine stemmen können und eben diese Menschen nicht mehr brauchen müssen…
Ich breche hier jetzt mal ab, da sind meine Gedanken zu schnell… Vielleicht besprechen wir das mal in nem Space?
Was ich aber unbedingt auch erwähnen möchte, sind die Erfüllung von privaten Wünschen.
Derzeit können wir wenig geben.
Derzeit sind unsere privaten Mittel begrenzt.
Ich schäme mich vor meinen Kindern deswegen oft und versuche, es sie nicht spüren zu lassen.
Ich müsste finanziell schnellstmöglich wieder arbeiten…
Und das sehe ich grad noch nicht.
Mein Krankengeld deckt nicht mal die Strom- und Gasrechnung…
Was ich damit sagen mag:
Danke!
Ich versuche, es wieder echt zu machen…
Wirklich!
Ich möchte nichts geschenkt, werde es wieder ausgleichen…
Danke für euch!
Danke für diese symbolische Geste und die Dinge!
Lovis
♥️♥️♥️
💪💪💪
🫂🫂🫂
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