Zweifel, Hoffnung, Vorurteile

Sowohl meine Frau als auch ich haben Depressionen. In der Vergangenheit gab es immer mal wieder die Frage ob so eine Art von Beziehung denn überhaupt klappen könne.

Zieht man sich nicht gegenseitig runter? Sitzt man nicht zusammen unter einer schwarzen Wolke und lässt sich von Tränen der Trauer und Leere berieseln?

Nun, ich hab darauf keine allgemeingültige Antwort, kann aber sagen, dass es in unserem Fall wunderbar klappt.

Wir können nachvollziehen, wie sich der andere bei einer Talfahrt fühlt und dementsprechend darauf eingehen. Eben weil wir in dieser Hinsicht dasselbe Schicksal teilen.

Ich denke, dass es eher schwierig werden kann, wenn dem gesunden Part einer Beziehung das Verständnis für Depressionen fehlt.

Es gibt Menschen ohne Depressionen, die bemühen sich zu verstehen, nehmen es ernst und haben Geduld. Es gibt aber natürlich auch die anderen, die all das nicht aufbringen.

Und oftmals kann man ihnen auch keinen Vorwurf daraus machen. Niemand, der selbst betroffen ist oder war, wird dieses Gefühl, welches der schwarze Hund mit sich bringt, richtig nachfühlen können.

Hast du dir noch nie den Arm gebrochen ist es leicht zu sagen „Stell dich nicht so an. Kommt ne Schiene dran und ein Gips drum und dann ist nach ein paar Wochen wieder gut“.

Wobei: im Fall einer offensichtlichen Erkrankung wie einem Armbruch, einer Grippe oder Verbrennung sind wir oftmals in der Lage dennoch besser mitzufühlen, weil die Wahrscheinlichkeit groß ist, ähnliches bereits selber schon mal durchlitten zu haben.

Depressionen sieht man nicht. Und wenn man die Diagnose hat, dann weiß man selber „Aha, ich habe Depressionen“. Der Arzt weiß es, der Therapeut weiß es.

Man kann darauf hinweisen, es erzählen. Ob es verstanden wird liegt nicht an einem selbst.

Die Diagnose habe ich vor 10 Jahren erhalten und nehme seitdem Medikamente. Damit geht es ganz gut.

Bei meiner Frau spielen Depressionen seit frühester Kindheit eine Rolle, sind auch dementsprechend lange schon Begleiter in allen möglichen Krankenakten.

Und das macht sich leider aktuell bemerkbar. Meine Frau hat seit vielen Jahren Beschwerden. Zunächst traten sie nur phasenweise auf. Mittlerweile sind sie zum Dauerzustand geworden.

Sie kann nicht länger als 200 m laufen ohne aus der Puste zu kommen, fühlt sich oft wie eine Siebzigjährige. Hat das Gefühl durch Ausruhen und Schlaf nicht die Regeneration zu bekommen, die normal wäre.

Ihr fallen Dinge aus den Händen, sie stolpert, ermüdet schnell. Und seit Jahren rennen wir von einem Arzt zum nächsten, von einer Klinik zur nächsten.

Immer wieder erzählt man ihr es läge an den Depressionen, sei psychosomatisch.

Wird sie untersucht liegen ihre Werte immer im Grenzbereich. Nicht gut, aber auch noch nicht wirklich schlecht. Sie kühlt schnell aus, hat zu niedrigen Blutdruck, immer wieder mal Schübe an Schuppenflechte und gelegentlich schwellen ihre Hände an und sind rot. Alles ersichtlich. Wir als ihre Familie sehen sie, kennen sie. Wir wissen, dass sie eine nie stillstehende, kreative und aktive Frau ist, die ständig etwas zu tun haben muss, lange Hunderunden geht, Projekte wie die #nordstadtkatzen ins Leben ruft undundund. Nun, und im Moment geht das nicht mehr. Sie kann nicht mehr arbeiten, sie kann nicht mit den Hunden gehen und teilt sich alle Tätigkeiten in kleinen Stufen mit vielen Pausen ein. Dinge heben und halten: no Sir. Geht nicht. Und es beschäftigt sie; sie ist natürlich unzufrieden mit der Situation.

Und sie hatte ihre letzte wirklich starke depressive Phase vor etwa 5 Jahren.

All diese offensichtlichen, körperlichen Beschwerden sehen die Ärzte nicht. Und sie leben auch nicht mit meiner Frau, erleben nicht unseren Alltag.

Es ist frustrierend zu wissen, dass da etwas nicht stimmt und man dann immer wieder erzählt bekommt, die Depressionen seien dafür verantwortlich.

Ich frage mich manchmal, ob wir lediglich an Mediziner geraten, von denen keiner depressiv ist. Ob ein depressiver Arzt einen anderen Blick auf meine Frau hätte und anders untersuchen würde.

Ob das ein Grund sein könnte. Das ist mit Sicherheit ein naiver Gedanke, ein hakeliger Erklärungsversuch meines Kopfs.

Es gibt noch zig verschiedene Möglichkeiten, auf die untersucht werden könnte. Derzeit drehen wir uns aber nur im Kreis. Es werden wieder dieselben Untersuchungen angeordnet, anstatt neue Ansätze zu wagen und mal zu schauen, ob es sich möglicherweise um etwas nicht Alltägliches handelt. Und Ansätze gibt es hier. Es gibt bestimmte Parameter und Werte, die eben nicht in Ordnung sind.

Aber weil meine Frau Depressionen hat und keiner der Werte so richtig abgrundtief schlecht ist, ist es halt psychosomatisch.

Wir werden da dranbleiben. Einfach, weil wir sicher sein können, dass da irgendetwas ist, was dafür sorgt, dass die Energie ausbleibt. Meine Frau ist der Überzeugung, es handelt sich um eine „Kleinigkeit“, wenn man es im Rahmen dieser Situation so nennen kann. Also etwas hormonelles oder ein Mangel, etwas das sich durch die richtige Behandlung verbessern lässt.

Sie hat seit jeher ein gutes Bauchgefühl und mit den meisten Vermutungen am Ende immer richtiggelegen. Und deswegen vertraue ich darauf, dass wir letzten Endes auch erfahren werden, was die tatsächliche Ursache ist.

Wie ist es bei Euch? Seid Ihr in einer ähnlichen Situation (gewesen)? Musstet ihr auch schon einmal die Erfahrung machen, dass etwas war und Euch nicht geglaubt wurde und am Ende stellte sich heraus, dass Ihr recht hattet?

Ich würde mich freuen, wenn Ihr uns dazu Eure Erfahrungen oder Gedanken mitteilt. Es ist immer hilfreich festzustellen, dass es auch noch andere gibt, denen es ähnlich geht wie einem selber.

Schreibt uns gern einen Kommentar oder auch eine Mail an DaLord(at)LordSixtus.de.

10 Kommentare

  1. CL · Februar 8, 2023

    Leider kenne ich das nur zu gut 😔 Ich vertrage seit einigen Jahren bestimmte Lebensmittel nicht mehr. Die Symptome kommen häufiger und werden zunehmend schwerer. Vor allem nach COVID haben sie sich noch einmal deutlich verstärkt. Leider kann ich trotz genauen Essprotokollen nicht sagen, was es genau ist. Da die üblichen Allergietests negativ und mehrere Regionen betroffen sind (obere Atemwege, Haut und Verdauungssystem), fühlt sich kein Arzt verantwortlich. Man wird im Kreis von einem zum anderen geschickt. Ich habe schon viel Geld für Diagnostik ausgegeben, um Dinge zumindest ausschließen zu können. Der Histaminspiegel ist immer wieder zu hoch. Aber das ist bestimmt psychosomatisch, der Stress, die Depression etc.

    Auch das seit der Jugend schwache Immunsystem, aufgrund dessen ich ständig krank bin und wirklich jeden Infekt mitnehme, ist bestimmt nur Stress oder zu wenig Bewegung oder beides.

    Es kostet einfach so viel Energie da dran zu bleiben. Ich gebe immer wieder auf und versuche es dann ein BK oder zwei Jahre später wieder. Weil es so nicht weitergehen kann.

    Der Witz ist, dass ich bis vor der letzten schweren depressiven Phase selbst als Psychotherapeutin tätig war. Ich habe einige Dinge die tatsächlich psychosomatisch sind. Das kann ich gut unterscheiden.

    Ich befürchte die Medizin und da schließe ich die Psyche mit ein, hat erst einen Bruchteil dessen erforscht, was an Ursachen für Störungen möglich ist. Und bei den selteneren schon bekannten Dingen, kostet die ordentliche Diagnostik einfach zu viel Geld. 😔

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  2. Marion Daum · Februar 8, 2023

    Ich glaube es ist leichter wenn beide unter Depressionen leiden. Bei meinem Mann fing das vor 15 Jahren während seiner Zeit wo er in Florida gearbeitet hat. Man denkt cool in Florida immer Sonne und Meer, Urlaubsfeeling, aber das interessiert die Psyche nicht. Bei mir kam das dann zwei Jahre später. Ich glaube man hat mehr Verständnis und kann die depressiven Phasen besser aushalten, als wenn man es nicht kennt. Glücklicherweise hatten wir bis jetzt noch keine körperlichen Beschwerden die als Psychisch abgetan wurden. Aber ich merke bei mir, daß wenn ich sehr angespannt bin, mein Puls hochgeht und ich ein komisches Gefühl im Körper habe, aber da weiß ich das macht mein Kopf. Bei deiner lieben Frau glaube ich nicht das es psychisch ist, aber leider neigen Ärzte, wenn sie nicht mehr weiterwissen dazu es auf die Psyche zu schieben. Ich wünsche euch das ihr bald die Hilfe bekommt die ihr bzw. deine Frau braucht. Bleibt dran, lasst euch nicht abschieben von den Ärzten. Ich weiß das kostet viel Kraft, aber da ist was aus dem Takt und dann muss gesucht werden. Du weißt die Twitter Bubble der Nordstadtkatzen versucht euch zu unterstützen. Ihr seid nicht allein und wenn wir nur zu hören/ lesen . Grüße Marion

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  3. klammerdackel · Februar 8, 2023

    So ging es mir auch mit einigen Allergien, GsD keine gegen Nahrungsmittel. War froh, als das endlich alles herausgefunden wurde und ich mein Leben dementsprechend umgestellt habe.

    Die erste Depression hatte ich wohl schon mit 13, aber damals nannte man das „schwache Nerven“, das wächst sich zurecht.

    Später, so mit Mitte 30, liefen mir auf dem Weg zur Arbeit die Tränen herunter, abends auf dem Heimweg auch. Und ich habe gedacht, das wäre normal.

    Nach dem zweiten Burnout mit Depression und Krankschreibung habe ich das erst richtig ernst genommen und mich aus dem Verkehr ziehen lassen. Psychiater, Psychotherapie (mit einer großartigen Therapeutin, sie hat mir sehr geholfen) , Wiedereingliederung, wieder Burnout, Reha-Forderung, unendlicher Schreibkram und dann hatte ich die Schnauze voll und habe die Rente eingereicht. Beste Entscheidung ever.

    Der Depri (Sigrid, mein chicken of depression) sitzt gelegentlich mal auf der Fensterbank, aber dann igel ich mich ein, ruhe mich aus, schlafe viel – bis es wieder besser wird.

    Es wird wohl niemals ganz weggehen, aber inzwischen kommuniziere ich es auch ganz offen und ziehe mich zurück, wenn nötig.

    Alles Gute für Euch Beide, ich hoffe, es findet sich noch etwas, das man „richtig“ bekämpfen und wieder genesen kann.

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  4. Sina · Februar 8, 2023

    Hallo Ihr Zwei,

    Ich kenne Euch von den Nordstadtkatzen und kann diese Arztodyssee leider gut nachfühlen.
    Vor ca. 10 Jahren erkrankte mein Lebenspartner mit Anfang 30. Es begann mit zuckenden Nerven, Kribbeln in verschiedenen Körperregionen, erhöhten Entzündungswerten. Wir liefen von Arzt zu Arzt, von Krankenhaus zu Krankenhaus, er bekam diverse (falsche) Diagnosen und Medikamente, die Symptome blieben aber und es kamen sogar noch neue hinzu. Als es ihm so schlecht ging, dass er sich kaum noch bewegen konnte, fast nichts mehr ass, die Fussballen und Hände unerklärlich anschwollen und er vor Schmerzen nur noch weinte, fand ich endlich einen Arzt, der ihn stationär auf seiner Station aufnahm und nicht nur die üblichen Standarduntersuchungen durchführte sondern offen war und mit seinem Team in alle möglichen Richtungen suchte und nicht aufgab bis wir endlich die richtige Diagnose und Behandlung bekamen.
    Obwohl dieser Arzt vielleicht vom Fachgebiet nicht exakt für Lovis passt und auch nicht in Eurer Gegend praktiziert, würde ich ihn Euch doch gerne empfehlen, da er interdisziplinär auch mit Neurologen etc. zusammenarbeitet und überhaupt nicht diese „psychosomatisch“-Schiene fährt.

    Hier also die Kontaktdaten:

    Univ.-Prof. Dr. Norbert Suttorp
    Direktor der Klinik
    +49 30 450 553 052
    +49 30 450 553 906
    Charité – Universitätsmedizin Berlin
    Augustenburger Platz 1
    13353 Berlin

    Alles Gute für Euch,
    Sina

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  5. Nadine · Februar 16, 2023

    Hallo ihr Zwei,

    Ich kann nur meine Geschichte erzählen und hoffe damit etwas zur Findung des Problems beizutragen.
    Angefangen hat das ganze so ungefähr vor 5 Jahren. Etwas anfällig für Depressionen war ich schon immer.
    Ich wusste aber das hier etwas anders war. Ich ging zum Gynäkologen weil ich etwas mit Hormonen vermutete. Der Gyn. stellt eine Zyste fest
    welche aber erstmal nicht behandelt wird erstmal schauen ob was daraus wird, also in 6 Wochen wieder kommen. Beim nächsten Besuch welch ein Wunder die Zyste
    ist nicht mehr da und es sollte mir jetzt auch wieder gut gehen wenn dem nicht so ist dann dauert es halt noch ein bisschen( es vergingen 2 oder 3 Monate) mir ging es immer noch schlecht und ich hatte noch keine schmerzen im Unterleib sondern mir ging es psychisch schlecht. Ich also wieder den Arzt genervt er möchte doch nochmal genauer schauen um auszuschließen das da eine Zyste ist die unkontrolliert ihre Hormone abgibt. Ja da war eine Zyste aber die sind ja auch normal und gehören nun mal zum Frau sein dazu, als nächstes kam natürlich das Gespräch das es ja etwas Psychisches sein könnte.
    Ich kürz das etwas ab das Sprengt sonst den Rahmen. Ich wechselte den Gynäkologen gleiches Prozedere gleiche Meinung dazu Ich fühlte mich Körperlich immer schlechter Depressive Phasen wurden immer länger und stärker. Ich hatte alles von kribbelnden Füssen, zu niedrigen Blutdruck über Herzrasen das Gefühl mein Körper würde nicht mehr normal arbeiten und auch das ich mich mit 38 Jahren fühlte als wäre ich 83, da dachte ich auch schon an Wechseljahre was auch einer der Ärzte in Betracht gezogen hatte ,,Biste halt früh dran das gibt es schon“. Einer der nächsten Gynäkologen meinte ich soll mir einen,, Wirklich Guten Psychiater suchen“ überwies mich aber wenigstens zur Darmspiegelung weil er selbst bei Untersuchung nicht gefunden hatte obwohl ich Unterleibsschmerzen hatte .Ergebnis der Darmspiegelung war, klar alles bestens, nichts festzustellen. Die Unterleibsschmerzen kamen und gingen. Ich war ziemlich verzweifelt meine Depressiven Phasen waren jetzt langsam schon so stark das ich mich selbst einweisen wollte um mich zu schützen. Ich habe nochmals den Gynäkologen gewechselt das war inzwischen der 5. die anderen wollten von mir nichts mehr wissen weil ich bin ja Gesund und damit ist ihre Behandlung beendet. Der neue Gynäkologe war meine Rettung, er hat mich ernst genommen, zum Endokrinologen überwiesen denn er wollte erstmal ein komplettes Hormonbild. Leider konnte man bei den Hormonen nichts feststellen außer ein bisschen wenig Eisen und Vitamin D ist aber alles nicht dramatisch. Er machte eine Ultraschall Untersuchung von Unterleib wo wieder eine Zyste am Start war, diese wollte er aber im Auge behalten ich soll in 2 Wochen wieder kommen ab da dauerte es noch ein halbes Jahr und viele zwischenbesuche bis er sich entschied eine Bauchspiegelung zu machen. In dieser wurde dann ein Kystom (die Zyste) von über 15cm entfernt welches sich mit meinem Beckenknochen mit meinem Darm mit meine Nierenabgängen und meinem Eierstock verwachsen hatte. Der Eierstock musste komplett entfernt werden, keine Rettung mehr möglich. Ich behaupte jetzt einfach mal das diese Zyste die war die der erst Arzt vor 5 Jahren gesehen hat und die immer da war aber nicht immer gesehen wurde. Nachdem das Ding raus war hat es noch etwas gedauert bis sich die Hormone eingestellt hatten. Seit dem geht es mir wieder gut, Depressive Phasen kommen auch mal aber so das ich damit umgehen kann. Körperlich fühle ich mich wieder normal. Wichtig zu wissen: Man kann auch ohne schmerzen Zysten haben. Ich kenne diese Verzweiflung wenn keiner einen ernst nimmt, ihr müsst den richtigen Arzt finden der bereit ist sich dem Problem anzunehmen ohne es auf die Psyche oder Wechseljahre zu schieben. Ich wünsche Euch das ihr Ihn findet.
    Es kommen bessere Tage wenn das Problem gefunden und behandelt ist.

    NICHT AUFGEBEN.

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