In 9 Tagen ist Weihnachten, in 2,5 Wochen das Jahr zu Ende. Und ich fühle nix. Keine Weihnachtsstimmung, keine Vorfreude. Ich war zweimal auf dem Weihnachtsmarkt, einmal mit der Tochter, einmal mit Kollegen. Ist es das Alter? Ist es die Weltlage? Keine Ahnung. In einer Welt wo maßgeblich so viel Kacke am Dampfen ist wünsche ich mir einfach mehr Ruhe für alle.
Dieses Jahr war – so wie auch schon das Jahr davor und das Jahr davor – hart.
Beruflich ist Chaos, bei den Nordstadtkatzen hatten wir viele Rückschläge zu verkraften und auch privat war es immer wieder turbulent.
Es kam die Diagnose einer seltenen genetischen Erkrankung bei meiner Frau, gesundheitliche Probleme bei K2 und schulische Probleme bei K3, die bisher immer in ihrer Spur gelaufen war.
K1, der Älteste, hat sich mittlerweile sehr rar gemacht und ist mehr bei seiner leiblichen Mutter, als bei uns. Er hat dort eine Etage für sich mit riesigem Zimmer, Fernseher, Konsole Wohn- und Schlafbereich. Dinge, die ich/wir ihm so nicht bieten können. Ich kann es verstehen. Es tut trotzdem weh, als Vater, der in der Vergangenheit mehr Verantwortung für ihn getragen hat und im eng mit ihm verbandelt war, nun nicht mehr diese Rolle zu spielen. Ich versuch mir einzureden, dass alles okay ist, solange es ihm gut geht. Meine eigenen Gefühle und mein Ego ausblenden kann ich aber nicht ganz.
Hinzu kamen zu den üblichen Alltäglichkeiten 3-mal Waschmaschinen aus dem Keller raus und 3-mal neue wieder reintragen, weil sie ständig kaputtgegangen sind. Immer derselbe Fehler, jedes mal 1 Austausch. Wir haben nun das Fabrikat gewechselt in der Hoffnung, dass an der Stelle Ruhe reinkommt.
Dann war schon wieder mal das Auto von Lovis kaputt und dann meins. Auch das wird ein alljährliches Ritual. Bei ihr war es was Größeres, bei mir wenigstens diesmal eine Kleinigkeit.
Nebenher hatte dann ja mein Vater noch einen Schlaganfall, mit meiner Mutter war ich in Hannover, weil auch bei ihr ein paar Sachen nicht in Ordnung sind. Ihre medizinische Reise ist auch noch nicht beendet.
Die Mutter meines besten Freundes starb unerwartet. Seitdem zieht er sich zurück, ich habe das Gefühl nicht mehr an ihn ranzukommen. Wir sind seit 38 Jahren beste Freunde und ich weiß, dass er in negativen Phasen diesen Rückzug braucht. Allerdings sind es nun 6 Monate mit einer kurzen Nachricht hier oder da und ansonsten nichts. Schade.
Es gab den Streit mit diesem einen Nachbarn, dessen Frau alle Tiere hasst, man aber scheinbar insbesondere mit uns auch ein Problem hat. Er ist so typisch konservativ deutsch, die Doppelmoral trieft aus jeder Pore. Nach außen der feine Christdemokrat und hinter verschlossener Tür wird rumgeschrien und rumgemeckert. Es kam nicht nur einmal vor, das wir Besuch hatten und irritierte Blicke ernteten, wenn er sich mal wieder lautstark über Nichtigkeiten aufregte. So kann man sich auch bekannt machen. Nach der letzten Eskalation sprechen sie nicht mehr mit uns und das ist sehr angenehm. Es wird wieder schön, wenn er im Sommer in den Urlaub fährt und unsere komplette Häuserreihe aufatmet und alle die Liegestühle rausholen. Es ist wirklich so, die Nachbarschaft atmet merkbar auf, wenn er mal weg ist.
Zu guter Letzt hatten wir dann ja die Küche unter Wasser, weil eines der Ablaufrohre zu war und in Folge dessen ein paar Tage nichts ging, bis auf die Toilette (zum Glück) und das Kaltwasserwaschbecken im Gästeklo.
Ich wollte dieses Jahr neben den Illustrationen für redbubble und die #nordstadkatzen auch Richtung Musik wieder etwas durchstarten. Dieses Jahr wurde es nichts, denn neben den ganzen gewohnten Widrigkeiten, kamen ja auch noch die ganz regulären, alltäglichen Dinge hinzu.
Der Wecker klingelt ab 5 und Feierabend ist abends gegen 20 Uhr. Dann war ich im Schnitt 9 Stunden für den Job unterwegs, bin mit den Hunden gegangen, habe die allzu schweren Sachen für Lovis rausgebracht oder reingeholt, Altpapier geschnitten und gestapelt (fällt bei den #nordstadtkatzen deutlich mehr an, als in einem üblichen Haushalt) oder einkaufen, wir haben die medizinische Versorgung gemacht. Dann essen wir was, besprechen das wichtigste des Tages, gehen schlafen.
An den Wochenenden haben wir Adoptanten zu Besuch oder machen halt all die Dinge im Haushalt, die während der Woche liegen bleiben. Zusätzlich steht demnächst eine Frischzellenkur für K2’s Zimmer an, da er mittlerweile ein Teenager ist und sich auch dementsprechend einrichten möchte.
Es ist kaum Platz dafür sich mit anderen Themen konzentriert auseinander zu setzen. Was bleibt, ist eine Runde Angry Birds oder Candy Crush zwischen zwei Aufgaben, etwas Anderes anzufangen lohnt schlichtweg nicht und muss auf einen der seltenen Tage ganz ohne Termine warten.
Wir werden öfter mal gefragt, wie wir das schaffen. Weiter oben lest ihr es. Zumindest meine Seite. Bei Lovis sieht der Tag anders, aber mindestens genau so voll und anstrengend aus.
Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Das eine will dies so weitermachen. Das andere will auch mal wieder andere Dinge regelmäßig mit der dafür angemessenen Zeit tun.
Und auch neben all dem was getan werden muss und all dem was getan werden will sollte auch einfach mal überhaupt gar nichts getan werden können sollen. Versteht ihr?
Gestern hatte meine Frau einen beschissenen Tag, musste sich mit einem Menschen auseinandersetzen, der in empathielosigkeit von Empathie faselte und komplett an ihr vorbeigeredet hat. Das ist nichts, was ich an dieser Stelle detaillierter erzählen werde, aber ich finde diese Situation schon symptomatisch für diese Zeiten.
Viele Menschen in leitenden Positionen versuchen andere in ihr Weltbild zu pressen und wenn das nicht sofort passt oder sich passend machen lässt wird es ohne weiteres Reflektieren abgetan, abgebrochen, weggewischt.
Und irgendwie schließ sich hier der Kreis zum Anfang meines Textes.
Wir waren dieses Jahr stark damit beschäftigt trotz aller Widrigkeiten, der oben beschriebenen Probleme und Sorgen und Nöte, irgendwie alles normal am Laufen zu halten.
Währenddessen in der Welt:
Im Iran werden junge Menschen für ihren Wunsch nach einem Leben in Freiheit von alten Männern ermordet.
In Russland hat ein alter Mann Anfang des Jahres beschlossen einen Angriffskrieg auf die Ukraine zu starten und viele Menschen ins Elend und Teile der Welt ins Chaos zu stürzen.
In Deutschland wachsen die Gruppierungen der Reichsbürger und Faschisten.
Jugendliche, die sich auf die Straße kleben oder mit Suppe werfen, werden Terroristen genannt.
Menschen sprechen anderen Menschen das Recht ab sich so zu fühlen, wie sie sich fühlen und zu sein wer sie sind und schlagen sich im Internet die Köpfe deswegen ein.
Die WM findet in einem Land statt, dass sich ebendiese mit Geld und Menschenleben erkauft hat.
Korruption in der EU Regierung.
Pakistan mit seiner Flutkatastrophe.
Afghanistan und das große Versagen, dass die Taliban wieder an die Macht brachte. Auch hier herrschen wieder alte, „religiöse“ Männer und unterdrücken Frauen und Mädchen.
Auch dieses Jahr hat es wieder im Regenwald gebrannt, und zwar wieder einmal schlimmer als die Jahre davor.
Medikamente werden knapp, Medizinisches Personal und Pflege sind am Limit.
Die Liste lässt sich fortsetzen.
Trotz dieser ganzen Katastrophen versuchen die Menschen mehr oder weniger normal weiter zu machen, sofern sie die Möglichkeit dazu haben.
Einige müssen sich gar keine Gedanken machen. Sie haben genug Geld um ihre Energierechnungen zu bezahlen, einen großen Weihnachtsbaum und viele wertvolle Geschenke zu kaufen.
Sie werden Ihre Häuser normal heizen. Den Kühlschrank voll und ein weiches Bett haben. Manche von denen sind sich ihrer Privilegien bewusst, andere nicht.
Für all die, die jedoch ums pure Überleben kämpfen spielt das keine Rolle. Die wären wiederum wahrscheinlich froh, wenn sie meine Sorgen hätten. Auch ich und wir sind immer noch wahnsinnig privilegiert.
Ich will hier aber gar keinen Moralischen von machen. Das Leben ist nicht fair. Es gibt keine Sternchen für besonders gutes Betragen. Du wirst irgendwo in einen Teil dieser Welt geboren und musst mit den dort herrschenden Umständen klarkommen. Dabei hilft dir wiederum die gesellschaftliche Position deiner Familie, oder eben auch nicht.
Nicht jeder hat die gleichen Chancen auf ein Leben mit Wohlstand, Bildung Kultur.
Die, die viel haben, könnten allerdings denen helfen, die nicht so viel haben. Stattdessen beuten die, die viel haben, diejenigen, die wenig haben aber noch weiter für den eigenen Wohlstand aus (nein, natürlich nicht ALLE).
Während eine Holocaustleugnerin über 90 Jahre alt und von Rechten als Heldin verehrt wird, ermorden iranische Mullahs junge Mädchen und Jungen, die nichts weiter wollen als das, was wir hier bereits haben: die Möglichkeit selbstbestimmt zu leben, zu lachen, zu tanzen, zu lieben.
Einen auf Besinnlichkeit zu machen kommt mir da mittlerweile heuchlerisch vor.
Nein, ich kann mir nicht das Elend der Welt aufladen. Aber verdrängen und ignorieren kann ich es auch nicht.
Ich wünschte mir etwas mehr Gleichgewicht. Ich wünschte, die Wohlhabenden würden den Ärmeren stärker unter die Arme greifen, solange bis diese selber aus eigener Kraft einen Wohlstand halten können. Allen ginge es gut und alle wären glücklich in diesem WiWaWunderland namens Erde.
Mir ist aber auch klar, dass dies ein frommer Wunsch bleiben wird.
Vielleicht für ein Weihnachtswunder.
Schönen vierten Advent!