1 Blog, some Facts / ein wenig Realtalk
Ja ist es denn die Möglichkeit, ich schreib auch mal wieder was.
Hab gerade zufällig einen Tweet gelesen, wo jemand sehr traurig und verzweifelt ist, weil eine langjährige Beziehung zu Ende gegangen ist. Dazu möchte ich mal im allgemeinen meinen Senf geben, aus eigener Erfahrung. Natürlich ist meine Situation nicht zwangsläufig vergleichbar mit der Situation der betreffenden Person oder einer anderen, aber hey, so sind wir Menschen.
Wir sehen oder lesen etwas und fühlen uns durch eigene Erfahrungen in dem Bereich in irgendeiner Weise mit der Situation verbunden.
Vielleicht hilft dieser Text auch Personen in einer ähnlichen Lage ein bisschen, das wäre dann ja auch schon was.
Ich war knapp 12 Jahre mit einer Frau liiert, mit der ich mir ein Leben aufgebaut hatte. Wir sind recht jung zusammengekommen, waren nicht die Discogänger und recht sparsam. Wir wohnten zunächst in einer kleinen Einliegerwohnung bei ihren Eltern, zogen dann in die nächstgrößere Stadt und wohnten dort für ein paar Jahre zur Miete. Dann Heirat mit großem Tamtam und allem Pipapo, weil man heiratet ja nur einmal im Leben und scheiß drauf, was kostet die Welt? Mit einem gut angesparten Eigenkapital begaben wir uns auf Haussuche, kauften eins, bauten es um und renovierten es und pflanzten einen Baum im Garten. Wie man das halt so macht.
Wenig später wurde sie schwanger. Freudvolle Gedanken an Schwangerschaftskurse, Friede, Freude, Eierkuchen, spazieren gehen mit dem Kinderwagen.
Die Realität: Meine damalige Frau entwickelte eine Zwangsstörung mit Wasch- und Reinlichkeitszwang, erlitt während der Schwangerschaft eine Blutvergiftung und wir mussten zu mehreren Untersuchungen aufgrund fehlenden Fruchtwassers und es zeichnete sich ab, dass unser Kind einen „verbogenen“ Fuß im Mutterleib hat.
Ich will an dieser Stelle nicht näher auf die Details eingehen, aber es war eine unfassbar schwere Zeit. Sowohl psychisch als physisch. Es gingen etliche Waschmaschinen und Trockner in kurzer Zeit drauf, weil sie nahezu ununterbrochen liefen, alles musste zigtausendmal gewaschen, gewischt und geputzt werden. Wer selbst mit so etwas noch nicht konfrontiert war, der kann sich oftmals nicht vorstellen was das bedeutet. Menschen unter Zwangsstörung wissen, dass ihre Handlungen unlogisch sind, können diesem Druck aber nicht standhalten.
Bei der Geburt bekam sie eine Nesselsucht und unser Sohn wurde mit einem Hakenfuß geboren. Dies wiederum bedeutete nach der Entlassung aus dem Krankenhaus direkt nach Hannover in die nächste Klinik zum gipsen und bandagieren, um Bein und Fuß des kleinen zu richten.
Es folgten Therapien, Mutter-Kind-Kur, auf und abs, Erfolge und Rückschläge. Der Fuß des Sohnes konnte glücklicherweise gerichtet werden. Für meine damalige Frau war ein Heilungserfolg leider nicht so schnell greifbar. Es wurden Medikamente probiert und abgesetzt, weitere Therapien begonnen und beendet, selbst an einer Studie an einer med. Hochschule haben wir teilgenommen. Aufgrund ihrer Zwänge musste ich in der ersten Zeit das Füttern und wickeln, ja die Versorgung des kleinen komplett übernehmen und bekam Unterstützung durch die Schwiegereltern, da auch der Zeitpunkt anstand, an dem ich wieder arbeiten gehen musste.
Ungefähr 4 Jahre ging es so weiter. 4 Jahre in denen meine damalige Frau so oft die Sorge äußerte, dass ich sie verlassen würde aufgrund des ganzen Stresses und ihrer Krankheit.
„Du verlässt mich doch nicht? Ich brauche dich doch!“ Einen Satz, den ich mindestens 2 – 3 mal die Woche abends im Bett hörte.
Als sie wieder zu arbeiten anfing besserte sich die Situation. Auch die korrekten Medikamente und die richtige Dosis wurde gefunden, die ihr den Druck und die Angst hinsichtlich der Zwänge nahmen. Es ging endlich wieder bergauf. Eine junge neue Kollegin ermutigte sie, doch am Wochenende mal mit rauszukommen, ein bisschen feiern.
Ich ermutigte sie ebenfalls. Ich war erleichtert, dass sich endlich Änderung einstellte.
Und die Änderungen stellten sich rapide ein. Auch hier möchte ich nicht näher ins Detail gehen, letztendlich endete aber unsere Beziehung an einem Morgen, nur kurze Zeit, nachdem sie das letzte Mal ihre Sorge geäußert hatte, ich könne sie verlassen.
„Ich liebe dich nicht mehr. Ich will andere Männer kennen lernen, ein eigenständiges Leben führen. Ich will nicht immer Dankbar sein müssen. Nicht immer nur Hausfrau und Mutter sein. Ich will ausgehen und Spaß haben.“
Damals haben mich diese Worte wie Peitschenhiebe getroffen. Für mich brach mein Leben von einem auf den anderen Moment zu einem Trümmerhaufen zusammen. Es folgten noch ein paar wenige Gespräche, es folgte Stress innerhalb der Familie und mir wurden von außerhalb ein paar Dinge zugetragen, die mich noch mehr verletzten und einen anderen Blick auf Sie freigaben. Das war eine wirklich schmerzvolle Zeit. Es folgte die Trennung, ich reichte die Scheidung ein. Ich verlor meine Frau, mein Haus und mit finanzieller Sicherheit und Rücklagen war plötzlich auch Essig.
Ganz zu schweigen von dem unsäglichen Gefühlsmischmasch hinsichtlich unseres gemeinsamen Sohnes und allem was auch für ihn aus dieser Situation resultierte.
Aber: wenn du das jetzt gelesen hast kann ich dir versichern, dass es trotz allem wie es gelaufen ist das Beste war, was mir passieren konnte. Nur weiß man so etwas immer erst im Nachhinein und hat währenddessen immer Argumente parat, warum es gerade bei einem selber den Weltuntergang bedeutet. Bedeutet es nicht.
Ich habe in diesen schwierigen Zeiten nach der Trennung eine neue Frau kennen gelernt. Ich habe nächtelang mit ihr geredet. Sie hat mir zugehört, sie hat mich aufgefangen. Sie war immer da als es mir schlecht ging und ist es auch heute noch. Die Beziehung zu ihr hat mich erkennen lassen, dass es auch anders geht und das die Beziehung zu meiner Exfrau im Prinzip zum scheitern verurteilt war. Wenn du allerdings lange mit jemandem zusammen bist werden unter Umständen auch Dinge für dich selbstverständlich, die es nicht sein sollten. Dinge und Umgangsformen, die nicht gut für dich sind, die du aber als „normal“ betrachtest, weil du es nicht anders gewohnt bist.
Meine Exfrau und ich haben nicht zueinander gepasst und im Nachhinein betrachtet ist es fast schon ein Wunder, dass wir eine so lange Zeit miteinander verbracht haben.
Wer von Twitter hier ist, der kennt Tinker/Lovis höchstwahrscheinlich auch. Wir sind nun 10 Jahre zusammen. 7 davon sind wir verheiratet. Nicht einen Tag davon möchte ich missen.
Sie ist nicht nur meine Frau, sie ist auch meine beste Freundin. Ich freue mich immer noch jeden Tag aufs nach Hause kommen und genieße die Zeit mit ihr. Sie hat 2 Kinder mit in die Beziehung gebracht, die nun auch meine Kinder sind und mich zum dreifachen Vater haben werden lassen.
Sie lässt mich sein wie ich bin und die Dinge machen, die ich machen will, auch wenn sie dabei manchmal seufzend mit dem Kopf schüttelt.
Und wir machen gemeinsam unser Ding. Mein Leben vor unserer gemeinsamen Zeit war ein anderes – ein mir mittlerweile völlig fremdes. Es ist gut und richtig wo ich jetzt bin und mit wem ich jetzt bin. Mit einer Familie die ich liebe und die mich liebt. Und mit einer Frau und Freundin mit der ich ein wahnsinnig spannendes und intensives Leben verbringe, in dem wir 1000 Sachen ausprobieren, improvisieren, Blödsinn machen, unsere Kreativität ausleben und kleine Katzen gesund pflegen.
Und mit der ich mich gemeinsam gegen Widrigkeiten stemme, Stolpersteine wegkicke und Erfolge mit einem Gyros feiere.
Und wenn du das gelesen hast, während du selber gerade in einer Trennungsphase bist möchte ich dir mitgeben, dass – auch wenn es gerade im Moment alles ganz anders scheint und all das, was hier steht so gar nicht auf deine Situation passt – so eine Trennung auch Chancen birgt. Und du in einer Woche, einem Monat oder einem Jahr möglicherweise feststellst, dass es vielleicht doch ein bisschen auf deine Situation gepasst hat.